Können Männer schwanger werden? Ergebnisse für Transgender- und Cisgender-Männer
Wichtige Punkte auf einen Blick
- AFAB-Personen, die sich als Männer identifizieren, können relativ problemlos schwanger werden.
- Wichtigste Voraussetzung dafür: Sie besitzen noch die inneren Fortpflanzungsorgane.
- Für AMAB-Personen ist aktuell keine Schwangerschaft möglich, aber es gibt Hoffnung für die Zukunft.
Die Frage, ob Männer schwanger werden können, wurde lange mit einem klaren „Nein“ beantwortet. Doch mittlerweile ist es nicht mehr so eindeutig. Tatsächlich machte schon im Jahr 2008 ein Mann namens Thomas Beatie Schlagzeilen, der offiziell als erster Mann der Welt schwanger war und ein Kind zur Welt gebracht hatte. Dieser transsexuelle Mann wurde als Mädchen geboren, unterzog sich aber 2002 der geschlechtsangleichenden Operation. Die inneren weiblichen Organe blieben dabei jedoch erhalten. Durch künstliche Befruchtung wurde der Mann schwanger, da seine Frau Nancy keine Kinder bekommen konnte. Mittlerweile gebar Thomas Beatie schon drei Babys. Fest steht also: Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Männer schwanger werden und ein Baby zur Welt bringen. Wir haben die aktuelle Datenlage genauer beleuchtet und teilen die wichtigsten Erkenntnisse hier.
AMAB oder AFAB – die wichtigsten Grundlagen
Mittlerweile bringen Männer viel häufiger Babys zur Welt, als die meisten Menschen denken. Um diese Tatsache zu verstehen, muss man aber etwas umdenken und sich von der konventionellen Geschlechterdefinition trennen. Grundsätzlich unterscheidet man:
- AMAB = assigned male at birth: Personen, die mit dem männlichen Geschlecht geboren wurden
- AFAB = assigned female at birth: Personen, die mit dem weiblichen Geschlecht geboren wurden
Aber: Nicht alle AMAB-Personen definieren sich tatsächlich als Männer. Diejenigen, die dies tun, bezeichnet man als Cisgender-Männer. Umgekehrt gibt es Menschen, die AFAB sind, aber sich dennoch als Männer identifizieren. Dies können Transgender-Männer oder transmaskuline Personen sein.
Transmaskulin bedeutet, dass eine AFAB-Person sich auf der männlichen Seite betrachtet – aber nicht unbedingt als Mann. Sie kann sich auch mit einer beliebigen Anzahl anderer Geschlechtsidentitäten identifizieren. Dazu gehören zum Beispiel genderqueer, Agender oder nicht-binär.
AFAB-Personen, die sich nicht als Frauen, sondern womöglich als Männer definieren, besitzen zum Teil noch die Fortpflanzungsorgane, die zum Austragen eines Babys benötigt werden. AMAB-Personen haben es schwerer, schwanger zu werden, doch es gibt moderne Technologien, die Hoffnung auf die Zukunft machen.
Schwangerschaft bei Personen mit Gebärmutter und Eierstöcken
Schauen wir uns zunächst an, wie Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt und die erste Zeit nach der Geburt bei AFAB-Personen mit Gebärmutter und Eierstöcken ablaufen – unabhängig davon, mit welchem Geschlecht sie sich identifizieren.
Empfängnis
Manche Menschen mit Gebärmutter und Eierstöcken, die kein Testosteron einnehmen und sich als Männer – oder nicht als Frauen – betrachten, wünschen sich eine Schwangerschaft. In diesem Fall ist es besonders einfach. Bei AFAB-Personen, die kein Testosteron einnehmen, verläuft eine Schwangerschaft ähnlich wie bei einer Cis-Frau.
Doch wie sieht es aus, wenn die AFAB-Person bereits eine Testosteron-Behandlung hinter sich hat? In diesem Fall hört die Menstruation normalerweise sechs Monate nach Beginn der Hormonersatztherapie auf. Die Grundvoraussetzung dafür, dass eine AFAB-Person schwanger werden kann, besteht also darin, dass kein Testosteron mehr eingenommen wird. Die aktuelle Studienlage zeigt, dass sich dann innerhalb einiger Monate durchaus eine Schwangerschaft einstellen kann.
Nichtsdestotrotz sind sogar schon Fälle bekannt, in denen AFAB-Personen trotz Testosteron-Einnahme durch ungeschützten Vaginalsex schwanger wurden. Testosteron macht also nicht zwangsläufig unfruchtbar, aber es reduziert die Wahrscheinlichkeit für eine Empfängnis. Für die Art der Empfängnis sind bei AFAB-Personen viele Varianten denkbar: Sowohl natürlicher Geschlechtsverkehr als auch Techniken der assistierten Reproduktion können zum Ziel führen. Hier gilt es, das Verfahren auf die körperlichen Voraussetzungen der AFAB-Person abzustimmen.
Schwangerschaft
Sobald eine Schwangerschaft eingetreten ist, gibt es keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen AFAB-Personen, die Testosteron eingenommen haben und jenen, die keine Hormonersatztherapie gemacht hatten. Genau wie bei einer Schwangerschaft einer Cis-Frau können hier Bluthochdruck, vorzeitige Wehen und Anämie als Komplikationen auftreten. Dazu kommt, dass die Schwangerschaft eine emotional belastende Zeit sein kann – vor allem für AFAB-Personen, die sich als Männer identifizieren.
Schwangere Männer werden von der Gesellschaft kritisch betrachtet und benötigen dementsprechend in der Regel ein starkes Nervenkostüm.
Einige schwangere AFAB-Personen, die sich als Männer definieren, haben aber auch sehr gute Erfahrungen mit der Schwangerschaft gesammelt. Sie berichten, dass sich die Verbindung zu ihrem eigenen Körper verstärkt hat.
Geburt
Umfragen bestätigen, das AFAB-Personen, die bereits vor der Schwangerschaft Testosteron eingenommen hatten, mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Kaiserschnitt haben. Generell scheinen sich AFAB-Personen, die sich als männlich definieren, häufiger einen Kaiserschnitt zu wünschen als Cis-Frauen. Das liegt möglicherweise an Unbehagen im Zusammenhang mit der vaginalen Entbindung.
Nach der Entbindung
Nach der Geburt muss den speziellen Bedürfnissen von Transgender-Personen eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Studien beweisen, dass eine von sieben Cisgender-Frauen nach der Geburt an einer postpartalen Depression leidet. Da Transgender-Personen generell häufiger mit psychischen Erkrankungen zu tun haben, ist die Wahrscheinlichkeit für postpartale Depressionen bei ihnen womöglich noch erhöht.
Zudem spielt die Ernährung des Säuglings eine wichtige Rolle. Einige AFAB-Personen können oder wollen nicht stillen, sodass auf Säuglingsnahrung zurückgegriffen werden muss. Will eine AFAB-Person trotz Testosteroneinnahme stillen, ist zu beachten, dass die Milchproduktion möglicherweise reduziert ist. Eventuell sollte der erneute Testosteronkonsum also erst nach der Stillzeit erfolgen.
Schwangerschaft bei AFAB- oder AMAB-Personen ohne Gebärmutter
AMAB-Personen haben ebenso keine Gebärmutter und keine Eierstöcke wie AFAB-Personen, die sich bereits einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen und die inneren Fortpflanzungsorgane entnehmen lassen haben. Dann ist eine Schwangerschaft deutlich schwieriger.
Bisher gibt es unseres Wissens keine Person, die in diesem Fall bereits schwanger wurde und ein Kind austragen konnte. Es gibt aber Hoffnung für die Zukunft. Durch Fortschritte in der Reproduktionstechnologie sind verschiedene Möglichkeiten für AMAB- oder AFAB-Personen denkbar, die sich schon einer Hysterektomie unterzogen haben. Die zwei am häufigsten diskutierten Optionen stellen wir in den nächsten Abschnitten vor.
Gebärmuttertransplantation könnte Schwangerschaft ermöglichen
Im Oktober 2014 kam in Schweden das erste Baby zur Welt, das in einer transplantierten Gebärmutter herangewachsen war. Das Verfahren befindet sich zwar noch in einem frühen experimentellen Stadium, aber es gibt durchaus Anlass zur Hoffnung. Die Methode wird eigentlich für Cis-Frauen entwickelt, die auf natürlichem Wege keine Kinder mehr bekommen können. Sie ist aber auch eine viel versprechende Option für alle AMAB-Personen oder AFAB-Menschen, die keine Gebärmutter mehr haben.
Schwangerschaft über Bauchhöhle – ebenfalls denkbar?
Schon vor Jahren wurde darüber diskutiert, ob es für AMAB-Menschen nicht möglich wäre, ein Baby in der Bauchhöhle auszutragen. Dies geht auf die Tatsache zurück, dass bei Cis-Frauen ein kleiner Prozentsatz der Eizellen im Eileiter befruchtet wird. Allerdings sind Eileiterschwangerschaften gefährlich und erfordern meist eine Operation. Es gab jedoch schon einmal eine Frau, deren Embryo in die Bauchhöhle abgewandert war, sodass das Baby im Darm heranwuchs. Ihr Kind wurde später gesund auf die Welt geholt. Dennoch: Damit AMAB-Personen ein Baby in der Bauchhöhle austragen können, muss noch viel Forschung betrieben werden. Es ist nicht klar, ob diese Option für AMAB-Person jemals praktikabel sein wird.
Fest steht: Viele Männer können schwanger werden
Unser Verständnis zu Geschlechtern entwickelt sich permanent weiter – und das ist auch gut so. Jeder sollte die Tatsache anerkennen, dass das Geschlecht, das eine Person bei ihrer Geburt erhalten hat, nicht darüber entscheiden sollte, ob sie schwanger werden kann oder nicht. In der Vergangenheit haben daher schon viele Männer eigene Kinder auf die Welt gebracht und viele weitere Männer werden das in Zukunft tun.
Eine ordentliche Portion Toleranz schadet bei diesem Thema nicht. Männer, die schwanger werden oder einen Kinderwunsch haben, sollten nicht diskriminiert werden. Sie brauchen ein unterstützendes Umfeld, um ihre eigene Familie nach ihren eigenen Vorstellungen zu gründen.
Gerade AFAB-Personen, die sich als Männer identifizieren, haben gute Chancen für eine ganz normale Schwangerschaft. Aber auch AMAB-Personen können von modernen Technologien wie der Uterustransplantation profitieren und womöglich in Zukunft eigene Babys zur Welt bringen – und zwar unabhängig von dem Geschlecht, das sie bei der Geburt erhalten haben.
Zusammenfassung
Männer können durchaus schwanger werden, solange sie eine Gebärmutter und Eierstöcke besitzen, wie das zum Beispiel bei Transgender-Männern häufig der Fall ist. Aktuell unmöglich ist es hingegen für AMAB-Personen, die keinen Uterus haben. Hier bleibt nur, auf die Fortschritte der Reproduktionstechnologie in der Zukunft zu hoffen.
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