Was ist die Löffeltheorie?

Was ist die Löffeltheorie? – Ein Gedankenexperiment für chronisch Kranke

Wichtige Punkte auf einen Blick

  • In der Löffeltheorie steht ein Löffel für eine Energieeinheit von chronisch Kranken.
  • Tätigkeiten sind nach Verbrauch eingeteilt: Aufstehen braucht einen Löffel, Einkaufen drei Löffel, ein Arztbesuch vier.
  • „The Spoon Theory“ gibt es als kostenlos als PDF auf dem Blog butyoudontlooksick.com.

Sind die Löffel alle, ist keine Energie mehr da. Das ist der Grundsatz der sogenannten Löffeltheorie. Denn dahinter verbirgt sich ein Gedankenexperiment für chronisch Kranke, deren Beschwerden nicht immer auf den ersten Blick sichtbar sind.

Entstanden ist diese Theorie bereits im Jahr 2003, die sich über soziale Netzwerke schnell verbreitete und schnell zu einem Schlüsselbegriff geworden ist. Heute gibt es weltweit zahlreiche Betroffene, die sich als „Spoonie“ bezeichnen. Was genau dahinter steckt, erklären die folgenden Zeilen.

Ausgangspunkt: Wie kann man unsichtbare Krankheiten sichtbar machen?

Wie beschreibt man Schmerzen? Wie erklärt man seine eigene Müdigkeit, sodass gesunde Menschen es nachvollziehen können? Vor diesem Dilemma stand einst die US-Amerikanische Lupus-Expertin und Bloggerin Christine Miserandino im Jahr 2003. Miserandino leidet unter Lupus und Fibromyalgie, beides chronische Krankheiten, die nicht sofort für andere sichtbar sind. Daher nannte sie ihren englischsprachigen Blog passender Weise auch ButYouDontLookSick.com (Aber du sieht gar nicht krank aus).

Dass viele Krankheiten und Behinderungen äußerlich oft nicht erkennbar sind, macht es den Betroffenen in vielen Situationen und Begegnungen schwer. Die Kranken treffen nicht selten auf Unverständnis, während sie sich mit Fragen im Alltag beschäftigen müssen, die essenziell sind. Denn die Krankheiten sind genauso einschränkend und schwerwiegend wie deutlich sichtbare Krankheiten. Mit der Löffel-Theorie hat Miserandino Betroffenen ein Werkzeug erschaffen, ihre Situation besser erklären zu können.

Lupus ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die gesunden Körperzellen angreift. Chronische Schmerzen, Fieber und Müdigkeit sind unter anderem die schwerwiegenden Symptome.

Am Anfang war eine simple Frage: Das Gedankenspiel einer Betroffenen

„Wie ist es eigentlich, Lupus zu haben und krank zu sein?“ Diese Frage stellte einst die beste Freundin von Christine Miserandino, während beide gemütlich bei einem Kaffee saßen. Denn Lupus ist nicht sichtbar.

Miserandino hatte keine direkte Antwort auf die überraschende Frage. „Während ich versuchte, meine Fassung zu erlangen, schaute ich mich um, um Hilfe oder Anleitung zu erhalten, oder zumindest um Zeit zum Nachdenken zu suchen“, schreibt sie später über diesen Augenblick. „Ich hätte aufgeben, einen Witz machen können, wie ich es normalerweise tue, und das Thema wechseln, aber ich erinnere mich, dass ich dachte, wenn ich nicht versuche, es zu erklären, wie könnte ich jemals erwarten, dass sie es versteht.“

Schließlich nahm Christine Miserandino einige Löffel in die Hand und gab sie ihrer Freundin. Sie erklärte, dass krank sein vor allem bedeute, Entscheidung zu treffen und über Dinge nachzudenken, die für gesunde Menschen selbstverständlich seien. Gerade für sie sei es wichtig, über ihren Energiehaushalt zu wachen. Denn Müdigkeit (Fatigue) ist eines der ersten und stärksten Symptome der Lupus-Krankheit.

Die Löffel standen für ihre Energie, denn als chronisch Kranker habe man davon nur begrenze Vorräte: in diesem Fall zwölf Löffel, die als Einheit endlicher Energie galten. Für jede Aufgabe am Tag wurde ein Löffel weggenommen, vom Aufstehen, Duschen, Anziehen bis zur Fahrt mit der U-Bahn, um zur Arbeitsstelle zu gelangen. Dort angekommen, waren bereits sechs Löffel aufgebraucht.

Erstaunte Erkenntnis: Die Löffel reichen hinten und vorne nicht

Das Gedankenexperiment zeigte, dass die Löffel längst nicht für alle täglichen Aufgaben reichten. Schnell zeigte sich, dass Entscheidung sorgfältig getroffen werden. Miserandinos Freundin musste sich zwischen Besorgungen oder Abendessen zubereiten entscheiden.

Am Ende des Tages blieb noch ein Löffel übrig – zu wenig, um ins Restaurant zu gehen und genug Energie für den Heimweg zu haben. Zu Hause würde der Abwasch nach dem Abendessen unerledigt liegen bleiben. Man könne sich zwar einen Löffel vom nächsten Tag borgen, aber das mache es morgen dann nicht leichter.

Um das Gedankenexperiment zu vereinfachen, ließ Miserandino einige Aspekte weg, wie beispielsweise Schwindelanfälle an manchen Tagen. Auf der anderen Seite gab es einen Bonuslöffel, den sie sich als Reserve für schwere Tage aufhob.

Das Gedankenspiel half Miserandinos Freundin, die schwierigen Alltag mit einer unsichtbaren Krankheit zu verstehen. Am Ende fragte sie gerührt, wie Christine Miserandino das nur mache.

Erfolg der Löffel-Theorie: Zahlreiche Spoonies weltweit

Miserandino veröffentlichte ihre Löffel-Theorie 2003 auf ihrem Blog im Netz. Seitdem verbreitete sie sich schnell und weit. Zahlreiche Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen konnten sich mit diesem Gedankenexperiment identifizieren und fanden so einen Weg, ihre Situation zu veranschaulichen. Keine andere Theorie schaffte es, die Herausforderungen chronischer Krankheiten so einfach zu erklären. Allein die Tatsache, dadurch von Mitmenschen verstanden zu werden, kann zu einem Gefühl der Erleichterung führen.

So ist es nicht verwunderlich, dass inzwischen zahlreiche Anhänger auf der ganzen Welt die Löffel-Theorie kennen. Sie bezeichnen sich selbst als „Spoonies“ (Spoon ist im Englischen das Wort für Löffel). Unter diesem Stichwort vernetzten sie sich und können sich durch Erfahrungsaustausch gegenseitig unterstützen.

Betroffene profitieren für sich: Mehr Selbstverständnis und besseres Selbstmitgefühl

Aber nicht nur zur Erklärung gegenüber gesunden Menschen wird die Löffel-Theorie genutzt. Viele „Spoonies“ nutzen das Gedankenspiel, um ihren Alltag besser zu strukturieren. Die Löffel dienen als Währung. Generell stehen bei Betroffenen immer weniger zur Verfügung, als sie eigentlich für den Alltag benötigen.

Aber auch sich selbst besser zu verstehen, ermöglicht die Löffeltheorie. Denn sie dient als wertvolle Erinnerung, dass es kein persönliches Versagen ist, wenn der Körper entscheidet, dass manche Dinge nicht möglich sind. Das zu erkennen, hilft Betroffenen, sich von einem permanenten schlechten Gewissen, Druck oder Gefühl zu befreien. Auch der Drang, „durchzuhalten“ oder „sich anzustrengen“ wird so gemindert. Es steht nicht in der Macht des Betroffenen. Die Grenzen der Krankheit werden so meist leichter akzeptiert und mit sich selbst verständnisvoller umgegangen.

Betroffene können unter den Hashtags #Spooniechat und #spoonie in den sozialen Medien Anschluss und Informationen finden. „The Spoon Theory“ von Christine Miserandino kann im Internet im PDF-Format heruntergeladen werden.

Zusammenfassung

Die Löffeltheorie ist ein Gedankenexperiment einer Bloggerin aus dem Jahr 2003, die einst versuchte, ihrer besten Freundin die Grenzen und Schwierigkeiten ihrer unsichtbaren, chronischen Erkrankung zu erklären. Seither ist die Löffeltheorie zu einem Schlüsselbegriff geworden und dient den sogenannten „Spoonies“ sich zu vernetzen und auch selbst besser zu verstehen.


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